FriedWald-Pressemeldung

Abschied nehmen in Deutschland. Eine Studie über Phasen und Rituale des Trauerns

FriedWald-Trauerstudie

Für 62 Prozent aller Deutschen stellt der Tod nahestehender Menschen die größte aller Katastrophen im Leben dar. Was empfinden Trauernde in dieser Zeit, was setzen sie dem Schmerz entgegen? Um diese Fragen zu beantworten, hat FriedWald in einer repräsentativen Studie den Umgang Hinterbliebener mit ihrer Trauer erforscht. Das Ergebnis: Während der Verlust bei jedem Trauernden einen individuellen Schmerz auslöst, folgt seine Bewältigung oft erkennbaren Mustern. Die Phasen und Rituale des Abschiednehmens zu kennen, hilft im Umgang mit den Trauernden.

Phasen und Rituale des Abschiednehmens

Wenn ein Mensch stirbt, durchlaufen die Hinterbliebenen verschiedene Phasen der Trauer. Über die Jahrzehnte hinweg wurden unterschiedliche Modelle entwickelt, die diese Phasen beschreiben.

Die Studie hat gezeigt, dass traditionelle Rituale wie die Trauerfeier, der Leichenschmaus oder das Aufgeben einer Traueranzeige Trauernden zwar durchaus helfen können, ihren Verlust zu bewältigen. Als viel hilfreicher aber empfinden viele Menschen persönliche Rituale, zu denen sie selbst in der Auseinandersetzung mit ihrer Trauer gefunden haben. Verlustgefühle und der Umgang mit Trauer sind sehr individuell – die Rituale der Verlustbewältigung hingegen folgen oft erkennbaren Mustern.

Phase 1: Unfassbare Schockstarre

Der Tod bricht als fundamentaler Schock ins Leben ein. Wie ein schwarzes Loch stellt er den kompletten Alltag grundsätzlich in Frage. Die Hinterbliebenen sind handlungsunfähig, fühlen sich machtlos und ausgeliefert.

Phase 2: Verlust aushalten

Trauer und Schmerz dominieren die Gefühlswelt der Hinterbliebenen. Oft wird diese Phase auch als emotionale Leere beschrieben. Die Trauernden sind zunächst nicht in der Lage, sich mit dem Schmerz über den erlittenen Verlust auseinanderzusetzen. Dies führt dazu, dass sie beispielsweise den Pflichten des Alltags wie getrieben nachkommen, um den Todesfall zu verdrängen, oder dass sie ihre eigenen Gefühle herunterspielen und so leugnen, was vorgefallen ist. Ein Leugnen funktioniert jedoch nicht dauerhaft. Stattdessen beginnen die Trauernden, bewusst schmerzhafte Situationen herbeizuführen.

Schmerzrituale

Schmerzrituale füllen die emotionale Leere mit konkreten Handlungen: Viele Hinterbliebene konfrontieren sich durch das Anschauen, Berühren oder Riechen an Erinnerungsstücken mit dem Verlust. Sie vergegenwärtigen sich den Todesfall wiederholt, indem sie von ihm erzählen – so stirbt der Verstorbene vor dem geistigen Auge des Hinterbliebenen erneut, sein Tod wird dadurch verständlicher. Über den Toten zu reden, hält diesen jedoch gleichzeitig auch „lebendig“. Häufig geben sich Trauernde in dieser Phase selbstzerstörerischen Handlungen wie übermäßigem Alkoholkonsum, körperlicher Vernachlässigung oder Ähnlichem hin.

Im Ausführen der Rituale zeigen sich oft zwiespältige Gefühle gegenüber dem Verstorbenen. So fragen sich die Hinterbliebenen beispielsweise, ob sie „richtig“ trauern oder „genug“ leiden. Parallel dazu mischen sich in die Trauer aber auch Gefühle der Wut, weil der Tod als bewusstes Verlassenwerden empfunden wird. Oft leiden die Hinterbliebenen auch unter Schuldgefühlen und fragen sich: Habe ich genug getan, um zu helfen? Hätte ich den Tod verhindern können? Oder sie suchen die Schuld für den Todesfall bei anderen.

Phase 3: Verlust akzeptieren

In dieser Phase wird den Hinterbliebenen der Verlust schlagartig bewusst. Das ist meist mit einem prägenden Erlebnis verbunden, zum Beispiel der Aufbahrung. Dieses Erlebnis kommt nochmals dem Schock der Todesnachricht gleich.

Akzeptanzrituale

In diese Phase fallen Akzeptanzrituale wie die Trauerfeier und die Beerdigung bzw. Beisetzung, aber auch das Ritual des bewussten Abschiednehmens von Gegenständen des Verstorbenen. Letztere persönliche Form der Bewältigung empfinden die Trauernden als spontan, freiwillig und besonders hilfreich. Die Beerdigung hingegen kommt für viele Trauernde zu früh, da sie noch ganz in ihrem Schmerz gefangen sind. Daher empfinden sie die Beerdigung oft als absurd oder gar als gesellschaftlichen Zwang.

Zwei Drittel der Befragten wünschen sich individuelle Bestattungen

Sinnvoll und wichtig ist das Bestattungsritual dagegen für die Trauergemeinde, also für Menschen, die weniger existenziell von dem Todesfall betroffen sind. Die Studie zeigt, dass sich zwei Drittel der Befragten für die Bestattung einen möglichst individuellen Charakter wünschen, um der Individualität des Verstorbenen gerecht zu werden. Ein religiöser Rahmen ist nur etwas mehr als der Hälfte der Befragten wichtig. Die Studie verdeutlicht außerdem, dass die Akzeptanz alternativer Bestattungsformen in den letzten sieben Jahren stark gestiegen ist. Heute wünscht sich fast die Hälfte, einen Angehörigen auf alternative Art und Weise bestatten zu können. Sieben Jahre zuvor hätte nur gut jeder Zehnte so entschieden. Für sich selbst wünscht sich mehr als jeder Dritte eine alternative Bestattung, früher nur jeder Vierte.

Drei Viertel legen Wert auf einen Ort des Gedenkens

Drei Viertel (76 Prozent) der Hinterbliebenen legen großen Wert darauf, die Grabstätte leicht besuchen zu können und damit einen Ort zu haben, an dem man gerne verweilt und gedenkt: Menschen brauchen einen Ort zum Trauern, an dem die Identität des Verstorbenen erkennbar bleibt. Am Grab des Verstorbenen nehmen die Trauernden immer wieder neu Abschied.

Um im Todesfall dem Bestattungswunsch des Verstorbenen nachkommen zu können, muss die Bestattungsfrage in der Familie oder im Freundeskreis schon zu Lebzeiten gemeinsam besprochen werden. Durch die gestiegene Akzeptanz alternativer Bestattungsformen sind solche klärenden Gespräche wichtiger denn je. Was den Umgang mit der Grabstätte angeht, scheiden sich allerdings die Geister. Während sich jüngere Menschen bis 29 Jahre ein Grab wünschen, das die Hinterbliebenen besuchen können, scheint die ältere Generation vor allem niemandem mehr zur Last fallen zu wollen: Fast jeder Zweite möchte eine Grabstätte haben, bei der die Grabpflege entfällt.

Anonym möchten allerdings weder Jung noch Alt bestattet werden. Beide wünschen sich mehrheitlich, dass ihr Name auf ihrem Grab zu finden ist.

Phase 4: Verlust bewältigen

Im Tagesablauf geht es für den Trauernden darum, wieder handlungsfähig zu werden, um den Alltag aktiv zu gestalten. Dies wird möglich durch Trostrituale, die das absolute Ende relativieren. Durch unterschiedliche Arten, an den Toten zu erinnern, wird die Erinnerung an ihn wachgehalten.

Trostrituale

Zu den Trostritualen zählt etwa der traditionelle Leichenschmaus, bei dem durch Gespräche über den Verstorbenen die Beziehung zu ihm wieder neu belebt wird. Aber auch durch die quasi „direkte“ Ansprache des Verstorbenen bezieht man diesen aktiv in das Leben mit ein. Dieses Ritual hat die Hälfte der Befragten in den Alltag integriert. Zwei Drittel der Befragten geben zudem an, dem Verstorbenen einen Platz in der Wohnung gewidmet zu haben, den sie mit Fotos oder anderen Erinnerungsgegenständen gestalten. Und über die Hälfte der Hinterbliebenen nimmt Dinge wie Schmuck oder Kleidung zur Hand, die sie an den Verstorbenen erinnern.

Phase 5: Verlust integrieren – neue Impulse für den Alltag

Trauer und Schmerz treten zunehmend in den Hintergrund. Die Konfrontation mit dem Tod macht vielen Menschen die eigene Endlichkeit bewusst.

Erneuerungsrituale

Die Hinterbliebenen beginnen damit, Gewohnheiten oder Ansichten des Verstorbenen teilweise in das eigene Leben und den Alltag zu integrieren. Erneuerungsrituale bestehen für Trauernde oftmals auch darin, alte Projekte zu vollenden oder sich lange gehegte Wünsche zu erfüllen. Sie entwickeln neue Haltungen und Einstellungen gegenüber dem Leben. Und so wird schließlich ein Neuanfang möglich.

Phase 6: Unvermeidbarer Neuanfang

Die Trauernden erkennen, dass es – auch dem Verstorbenen zuliebe – mit dem eigenen Leben weitergehen muss. Eigene Ziele und Perspektiven rücken wieder in den Vordergrund: Aus der individuellen Krise gehen die Hinterbliebenen gestärkt hervor. So geben 48 Prozent der Befragten an, ihr Leben nach der Verarbeitung des Trauerfalls insgesamt bewusster zu gestalten. Der Tod eines nahestehenden Menschen verändert das eigene Leben – die Hälfte der Hinterbliebenen lebt ihr Leben heute bewusster.

Bewältigung ist ein sich wiederholender Prozess

Die Verlustbewältigung ist ein sich wiederholender Prozess, den auch verschiedene Ereignisse im Jahr immer wieder neu in Gang bringen. Feiertage wie Weihnachten, der Geburtstag oder der Hochzeitstag stellen nicht nur im ersten Jahr nach dem Tod große emotionale Anforderungen an die Hinterbliebenen

Am Todestag werden Gefühle und Reaktionen oft wieder so deutlich durchlebt, als wäre der Todesfall erst vor Kurzem eingetroffen. Der Bewältigungsprozess wird erneut angestoßen, jedoch in einer anderen Intensität durchlebt, bis es schließlich gelingt, den Tag in liebevollem Gedenken zu begehen.

Quelle: FriedWald 2010/2017 – Wie trauern die Deutschen? Repräsentative Studie, durchgeführt von Kantar EMNID und A&B One Research.

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Gedenken mit einem Bild auf dem Kamin
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Familie beim Gedenken im FriedWald
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